Lohnt sich Arbeit noch?

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#0
18.02.2010, 14:03
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Beiträge: 85
#1 In diesen Tagen laufen die Debatten um Hartz IV und Co auf Hochtouren. Dass dabei die Meinungen nicht nur in der Politik, sondern auch unter den Bürgern recht verschieden sind, dürfte dabei unumstritten klar sein. Allerdings stellt sich mir in Deutschland mehr und mehr die Frage, ob sich das Arbeiten eigentlich noch lohnt. Immerhin arbeiten zahlreiche Menschen hierzulande als Geringverdiener für einen mehr als nur mageren Stundenlohn. Schaut man sich die Vergleiche zwischen Geringverdienern und Hartz IV-Empfängern an, wird also recht schnell klar, dass es denen, die die Hilfe vom Staat beziehen, oftmals besser geht. Unabhängig von den aktuellen Mindestlohndebatten stellen sich dabei in meinen Augen einige ganz neue Fragen, zu denen mich vor allem eure Meinungen interessieren würden:
Lohnt es sich in Deutschland noch arbeiten zu gehen oder wäre es nicht schlichtweg einfacher, die staatliche Stütze in Anspruch zu nehmen?

Ich glaube, dass genau durch Vergleiche dieser Art ein Arbeitsverhältnis immer deutlicher an Attraktivität verliert. Warum soll man früh aufstehen, wenn man es ohne einen festen Job doch durchaus schöner und angenehmer hätte? Ich bin der Überzeugung, dass an genau dieser Stelle massiver Handlungsbedarf in Deutschland besteht, der letztlich aber auch nicht nur durch den Mindestlohn gelöst werden kann. Arbeit muss sich wieder lohnen und das nicht nur für hochqualifizierte Fachkräfte, sondern auch für die, die heute als so genannte Geringverdiener bezeichnet werden. Momentan ist in meinen Augen die Gerechtigkeit in Deutschland verloren gegangen. Was denkt ihr zu dem Thema - Lohnt sich das Arbeiten in Deutschland nach eurer Meinung noch oder nicht?
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18.02.2010, 21:48
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Beiträge: 3306
#2 Ich empfehle hier mal wieder einen Telepolis Artikel:
Hartz IV und der hausgemachte Niedriglohnsektor

Zitat

Es ist richtig, dass nach klassischer Lehre ein Abstand zwischen Transferleistungen und dem Einkommensniveau im Niedriglohnsektor bestehen sollte. Für einen Aufschlag auf die Transferleistungen in Höhe von 50 Euro pro Monat wird sich nun einmal kein Arbeitsloser jeden Morgen aus dem Bett quälen, um einem unattraktiven 8-Stunden-Job nachzugehen. Doch bereits hier steckt die "reine Lehre" in einer empirischen Sackgasse – wenn die klassischen Modelle evident wären, gäbe es nämlich gar keinen Niedriglohnsektor, in dem Löhne gezahlt werden, die nur marginal über den Transferleistungen des Sozialsystems liegen.
Allerdings zwingt Hartz 4 die Arbeitslosen jeden noch so schlecht bezahlen Job anzunehmen, verweigert man sich werden einem Leistungen gestrichen. Dadurch ist der Niedriglohnsektor in den letzten Jahren explodiert und es gibt für Firmen gar keinen Grund Putzfrauen oder Fensterputzern mehr zu bezahlen, als das momentan der Fall ist. Schließlich zwingt das Arbeitsamt Arbeitslose jeden noch so beschissenen (pardon) Job anzunehmen.

Man könnte nun natürlich Hartz 4 verringern, aber das ist erstens eh schon das Existenzminimum und zweitens ändert es rein gar nichts am grundsätzlichen Problem. Wenn sich "Arbeit wieder lohnen soll" müssen die Löhne nach oben gehen und das beste Mittel hierfür ist ein genereller Mindestlohn. In der EU haben 20 von 27 Ländern schon längst einen wie auch immer gearteten Mindestlohn, nur Deutschland ist mal wieder etwas langsamer:
http://de.wikipedia.org/wiki/Mindestlohn#.C3.9Cberblick
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18.02.2010, 22:09
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#3

Zitat

asdrubael postete
In der EU haben 20 von 27 Ländern schon längst einen wie auch immer gearteten Mindestlohn, nur Deutschland ist mal wieder etwas langsamer:
http://de.wikipedia.org/wiki/Mindestlohn#.C3.9Cberblick
Generell sagt man ja, dass der Markt das regeln sollte. Subvention/ Intervention des Staates wirken sich meist eher negativ aus.
Nichts desto trotz denke ich, dass das im Moment evtl. genau das Richtige wäre, um dem Trend entgegenzuwirken.
__________
Woher soll ich wissen was ich denke, bevor ich höre was ich sage??
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19.02.2010, 08:03
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Themenstarter

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#4 Sicherlich würde der Mindestlohn ein bisschen mehr Gerechtigkeit bringen und vielleicht die Arbeit wieder lohnenswert machen. Aber meint ihr nicht auch, dass es dadurch zu weiteren Problemen kommen würde. Es gibt nun einmal auch Arbeitgeber, die schlichtweg nicht mehr zahlen können, auch wenn der niedrige Stundenlohn alles andere als fair ist. Diese Arbeitsplätze würden doch schließlich durch den Mindestlohn wegfallen und somit würde die Arbeitslosenzahl steigen. Zudem wäre es doch auch durchaus denkbar, dass viele Arbeitgeber dann nicht mehr zahlen als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Somit würden Jobs, die derzeit noch gut bezahlt sind, auch mit einem geringeren Einkommen versehen werden. Ich glaube nicht, dass der Mindestlohn hier des Übels Lösung ist, sondern das man durch diesen vielmehr in neue Extreme rutschen würde.

Desweiteren sollte natürlich auch ein Gedanke an diejenigen verschwendet werden, die nicht in einem festen Arbeitsverhältnis stehen, sondern als Freiberufler das eigene Leben bestreiten. Diese können sich kaum an einem Mindestlohn oder ähnlichem bedienen. Zudem könnte genau diese Berufssparte wiederum unattraktiver werden. Sicherlich ist der Mindestlohn europaweit schon in mehreren Ländern vertreten und könnte zunächst als Instrument der Regierung eingesetzt werden, doch langfristig sehe ich in diesem kaum eine Lösung. Dafür finde ich das Thema schlichtweg zu wenig strukturiert. In meinen Augen ist der Mindestlohn nicht mehr als eine Zwischenlösung, die auf Dauer wohl kaum funktionieren kann.
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19.02.2010, 11:23
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Beiträge: 3306
#5 "Es gibt nun einmal auch Arbeitgeber, die schlichtweg nicht mehr zahlen können, auch wenn der niedrige Stundenlohn alles andere als fair ist."

Wenn man einem Arbeitnehmer so wenig zahlt das er davon nicht leben kann und zusätzlich staatliche Hilfe braucht, sollte man sich dann nicht Sklaventreiber nennen? Ich glaube nicht das es wirklich viele Arbeitgeber gibt die einfach nicht mehr zahlen können. Hier wird immer gern auf die Globalisierung verwiesen, aber wo konkurriert ein Chinese/Inder mit einem deutschen Friseur, einem Fensterputzer oder Reinigungskräften die hier in Deutschland arbeiten? Der Niedriglohnsektor besteht größtenteils aus Dienstleistungsunternehmen und da kann man sich schlecht darauf berufen das in Bangladesch die Leute für nen Apple und ein Ei die gleiche Arbeit machen.

Natürlich muss aber auch Geld da sein um ordentliche Löhne für die Frau an der Supermarktkasse zu zahlen. Wer selbst nur ein paar Euro die Stunde verdient der kann sich auch bei den Lebensmitteln nur das billigste vom billigen leisten und das ist eben oft der Discounter der seine Arbeitnehmer und Zulieferer am effektivsten ausbeutet. Wer mal wissen möchte unter welchen Bedingungen die billigen Brötchen bei Lidl hergestellt werden kann sich hier einen Günther Wallraff durchlesen:
http://www.zeit.de/2008/19/Wallraff-19?page=all

Wenn die breite Masse mehr in der Tasche hätte, würde hoffentlich auch der Bedarf an 10 Cent Brötchen sinken, die unter menschenwürdigen Bedingungen einfach nicht herstellbar sind.
__________
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23.02.2010, 15:25
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Themenstarter

Beiträge: 85
#6

Zitat

Wenn die breite Masse mehr in der Tasche hätte, würde hoffentlich auch der Bedarf an 10 Cent Brötchen sinken, die unter menschenwürdigen Bedingungen einfach nicht herstellbar sind.
Hier gehe ich vollkommen mit, aber man darf eben auch nicht vergessen, dass vor einigen Jahren gerade die Lebensmittel, die für den täglichen Bedarf wichtig sind, auch sehr viel billiger waren. Letztlich sind die meisten Verbraucher doch auf genau diese Preise angewiesen, da sie sich nichts kostenintensiveres leisten können. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass es sich auch immer um eine Frage des Wertes handelt. Immerhin steigt mit genau diesem auch das Preisempfinden der Menschen. Wer sich mehr als ein Brötchen für 10 Cent wirklich leisten kann, geht nun einmal auch zum Bäcker um die Ecke.

Es handelt sich hierbei doch nicht um mehr als einen klassischen Kreislauf. Die Arbeitnehmer verdienen zu wenig, können also auch nur mit sehr viel Feingefühl ihr Geld ausgeben. Sicherlich ist es nicht in Ordnung, dass Arbeitgeber so wenig zahlen, dass man noch Hilfe vom Staat in Anspruch nehmen muss. Aber um dies zu ändern, müsste es doch zu einer grundlegenden Neustrukturierung kommen und diese fängt doch letztlich ganz unten an. Desweiteren darf man natürlich nicht vergessen, dass so manch ein Geringverdiener weitaus mehr leistet als ein gehobener Manager.
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